Psychosoziale Einsätze 2021 im Katastrophenschutz und Rettungsdienst sicher beherrschen

psychosoziale Einsätze mit Luna Kratzsch

Der Dienstabend zum Thema psychosoziale Einsätze und Kommunikation in Ausnahmezuständen wurde von unserer Referentin Luna Kratzsch gehalten. Zu wissen, wie man sich in Ausnahmezuständen bzw. bei psychosozialen Einsätzen verhält, ist nicht nur für die Patienten wichtig, sondern auch für die Einsatzkräfte. Von der Gesamtzahl der Einsätze zählen 10-20% als psychosoziale Einsätze.

Bei psychosozialen Einsätzen helfen die Einsatzkräfte meist einer Person mit psychischer Erkrankung oder in psychischen Ausnahmezuständen. Dazu gehören Erkrankungen aus der Gruppe der Affektiven, der Ängste, der Persönlichkeitsstörungen und somatisch bedingte Erkrankungen.

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Um Menschen mit psychischen Erkrankungen besser zu verstehen und empathisch zu reagieren, ist das Vulnerabilitäts-Stress-Modell hilfreich. Nach diesem Modell wird eine psychische Belastung über längere Zeit festgehalten und eine Stressgrenze kann unter Umständen erreicht werden.

Faktoren wie Arbeit, Familie, Freunde und Hobbys sind die häufigsten Stressoren und Ressourcen zugleich. Wenn es auf der Arbeit gut läuft und die Beziehungen in der Familie intakt sind, kann dies einen Menschen belastbarer machen, indem diese Ressourcen Stress an anderer Stelle ausgleichen oder kompensieren. Ist das Gegenteil der Fall wird der Mensch bei zusätzlichen Stressoren schneller an seiner Stressgrenze ankommen. Es kann also bei vorbelasteten Menschen mit psychischen Erkrankungen schneller die Stressgrenze überschritten sein. Je vorbelasteter ein Mensch ist, desto schneller wird die Schwelle erreicht oder überschritten.

Wie kann man Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen?

Um Menschen in psychosozialen Einsätzen helfen zu können, muss man nicht zwangsläufig professionell ausgebildet sein. Bis zu einem bestimmten Grad kann man mit einfachen Mitteln helfen. Folgende Interventionsmöglichkeiten sind hilfreich:

  • eine ruhige Umgebung
  • Kommunikation
  • Sicherheit schaffen (Abgrenzen von Stressoren)
  • Ressourcen schonen
  • Ansprechpartner (passend nach Alter/Geschlecht, Empathie/Zugang gewinnen)
  • einen Plan aufstellen

Was ist bei der Kommunikation in psychosozialen Einsätzen zu beachten?

Bei der Kommunikation ist es zum Beispiel wichtig, Gefühle ernst zu nehmen. Wahrnehmungen können sich stark unterscheiden und nicht ernst genommene Gefühle können ein Gefühl der Unzulänglichkeit bei depressiven Menschen noch verstärken. Es ist ebenso wichtig keine Annahmen zu äußern, sondern Wahrgenommenes zu spiegeln. Als Einsatzkraft sollte man daher offen kommunizieren und dem Patienten erklären, was man gerade tut.

Akutsituationen

In einem psychischen Ausnahmezustand können wir als Einsatzkräfte nur versuchen uns vorzustellen, wie es dem Gegenüber geht. Wir können es nicht nachfühlen. Und weil die Symptome bei psychosozialen Einsätzen oft auf der Gefühlsebene beginnen, stellt dies eine besondere Schwierigkeit dar. Durch gezielte Fragen und eine gute Kommunikation kann aber meist geholfen werden. Was nicht angebracht ist sind Vorwürfe, Machtproben und Unterstellungen u.Ä. Standardsätze wie „Alles wird gut!“ vermitteln falsche Hoffnungen und helfen nicht weiter.

Ressourcen und Skills anwenden

Es gibt keine allgemeine Lösung, die in jedem Fall angewandt werden kann, um Patienten in psychosozialen Einsätzen zu helfen. Aber es gilt zum Anfang, den Menschen mit Empathie zu begegnen, Gefühle und Gesagtes ernst zu nehmen und Ressourcen und Skills anzuwenden. Sofern vorhanden, sollte auch das Thema Suizidgedanken angesprochen werden nachdem sich im Laufe des Gespräches der Zugang zum Patienten herstellen ließ. Die direkte Frage nach Suizidgedanken oder -plänen bietet Patienten die Möglichkeit in geschütztem Rahmen über das Thema zu reden. Es handelt sich dabei nicht um ein Tabu-Thema. Diese Frage bringt auch niemanden plötzlich auf den Gedanken Suizid zu begehen. Ein hoher Prozentsatz der Suizide, bis zu 90%, sind nachweislich verhinderbar.

Was sind Ressourcen?

Bei Ressourcen handelt es sich um Lebensbereiche, welche die Resilienz stärken. Dazu gehören Tätigkeiten, die man mag, z. B. Sport, künstlerische Hobbys, etc. Außerdem sind es die Beziehungen zu Vertrauenspersonen, Ziele im Leben, Werte und auch die Arbeit. Im Gespräch können Einsatzkräfte nach diesen Ressourcen fragen und den Gegenüber daran erinnern. Themen, die sichtbar positive Emotionen auslösen, können vertieft werden.

Was sind Skills?

Skills sind Fähigkeiten zur Gefühlsregulation. Bei hoher Anspannung helfen starke Reize, bei denen die Gedanken aufhören zu kreisen. Es kann die Stresshocke (Sitzhocke) sein, Eiswürfel oder auch Chilli. Zu den Skills gehören aber auch kognitive Übungen wie in Dreierschritten von 1000 runterzählen oder die „5-4-3“- Übung. Bei der „5-4-3“ Übung werden zuerst 5 Dinge, die man liebt, 5 Dinge, die man hört und 5 Dinge, die man in dem Moment fühlt, genannt. Danach 4 Dinge, die man liebt, hört und fühlt. Und danach 3. Die Dinge sollen sich nicht wiederholen und die Übung hilft dabei, sich in dem Moment wiederzufinden und zu orientieren. Es ist sozusagen ein „Anker in der Realität“.

Die Nachbesprechung

Wichtig ist es nach einem Einsatz, den Patienten Anlaufstellen zu empfehlen, an denen ihnen geholfen werden kann. Zum Beispiel ist dies die Polizei, Freunde mit Erfahrung, die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) oder ein Kriseninterventionsteam (KIT), die Notfallseelsorge oder auch die Telefonseelsorge.
Zur Nachbesprechung ist es in jedem Fall hilfreich, den Patienten nach Anbindung zu fragen. Gibt es z.B. Familienangehörige, Freunde oder einen Therapeuten für eine Nachbesprechung?

Unser Fallbeispiel zum Thema psychosoziale Einsätze

Nach dem Vortrag gab es noch ein detailliertes Fallbeispiel. Eine junge Frau (17) wurde völlig aufgelöst und alkoholisiert vom Sanitätsdienst aufgefunden. Sie kündigte an, sich umbringen zu wollen. Nach weiteren Informationen wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Dienstabends gefragt, was sie in der Situation tun würden. Nach einigen Antworten und Vorschlägen gab es die Auflösung und tatsächlich wurde fast alles Nötige genannt. Die physischen Bedürfnisse wurden zuerst abgedeckt, danach die psychischen und zum Schluss wurde ein Plan für das weitere Vorgehen aufgestellt.

Wir danken unserer Referentin Luna Kratzsch von der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Ortsverband Oldenburg für diesen Abend und die spannenden Einblicke in Erlebnisse und Erfahrungen.

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