Möglichkeiten zur Medikamentengabe im Sanitäts- und Rettungsdienst

Medikamentengabe

„Können Sie mir nicht einfach eine Spritz geben?“

Diese Frage hat wohl schon jeder mal gehört, der im Sanitätsdienst oder in der Notfallmedizin tätig ist. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Deshalb möchten wir euch heute ein wenig erklären, wann und wie Medikamente in der Notfallmedizin gegeben werden können.

Wichtiges Vorwort zur Medikamentengabe

Vorweg wollen wir kurz auf die rechtlichen Grundlagen eingehen, denn die Verabreichung von Medikamenten obliegt rechtlich ausschließlich dem der Heilkunde Berechtigten. Dies sind Ärzte/ Ärztinnen oder Heilpraktiker*innen.

Die Verabreichung von Medikamenten gehört zu den invasiven Maßnahmen. Diese greifen in die körperliche Unversehrtheit der Patientin oder des Patienten ein und benötigen immer dessen Einwilligung.

Des Weiteren muss die Medikamentengabe natürlich immer indiziert, also berechtigt und begründet, sein. Stellt das Rettungsfachpersonal aufgrund einer akuten Erkrankung oder eines anderen Notfalls den rechtfertigenden Notstand fest, darf die Medikamentengabe auch durch nichtärztliches Personal erfolgen. Dazu gehören die Notärzte/ -ärztinnen und Notfallsanitäter*innen.

Da für Rettungssanitäterinnen und Sanitäterinnen invasive Maßnahmen nicht in einer Ausbildungsordnung geregelt sind, bleibt der Nachweis des Beherrschens invasiver Maßnahmen im Kontext eines rechtfertigenden Notstandes in der Verantwortung des einzelnen Anwenders 1).

Sofern Einsatzkräfte die Durchführung der Medikamentengabe sicher beherrschen, wird deshalb meist von der Ärztin oder dem Arzt, bzw. der Notfallsanitäterin oder dem Notfallsanitäter delegiert.

1) SOP Rettungsdienst LK Stade (Version 7, 2022)

Verschiedene Möglichkeiten zur Verabreichung von Medikamenten

Medikamente können über diverse Arten verabreicht werden. Die verschiedenen Wege weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile auf. Auch der gewünschte Wirkungsort spielt bei der Medikamentenapplikation eine große Rolle. Im Folgenden wollen wir euch die im Rettungsdienst gängigsten Applikationsformen erklären.

Die eigene, selbstverantwortliche Einnahme von Medikamenten durch die Patientin oder den Patienten berücksichtigen wir hierbei nicht. Diese erfolgt in der Regel oral, schluckend über den Mund, nasal über die Nasenschleimhäute oder die Haut. Dies wären z. B. das Schlucken von Tabletten, Tropfen, das Inhalieren von Sprays oder das Auftragen von Salben.

Bei allen Applikationsformen steht die schnelle Wirkung, die gesicherte Aufnahme sowie Verteilung im Körper bei zeitkritischen Situationen mit hohem Handlungsdruck im Vordergrund.

Intravenöse Applikationsform (i.v. / über die Vene)

Die intravenöse (i.v.) Applikation ist wohl die gängigste Form der Medikamentengabe. Hierbei punktiert das Rettungsfachpersonal mit einer Venenverweilkanüle eine peripher gelegene Vene. Vorzugsweise geschieht dies am Handrücken. Sollte das nicht möglich sein, erfolgt dies ggf. auch in der Ellenbeuge oder am Fußrücken. Über diesen sogenannten „Zugang“ können flüssige Medikamente verabreicht werden.

Die applizierten Medikamente müssen durch die intravenöse Gabe nicht erst resorbiert werden, sondern stehen dem Körper sofort zur Verfügung. So kann die Wirkung schnell eintreten, was in der Notfallmedizin von hoher Relevanz ist.

Intravenöse Medikamentengabe

Bei der Anlage eines intravenösen Zugangs stehen dem Rettungsfachpersonal verschiedene Größen von Venenverweilkanülen zur Verfügung, welche sich vor allem im Durchmesser des umschließenden Katheters und damit auch der möglichen Durchflussgeschwindigkeit von Infusionslösungen und Medikamenten unterscheiden. Die meisten Medikamente auf dem Rettungswagen werden deshalb intravenös verabreicht.

Intraossäre Applikationsform (i. o. / in den Knochen)

In bestimmten Fällen kann es sein, dass die Anlage eines intravenösen Zugangs nicht möglich ist oder es schlicht zu lange dauert. Dies kann bspw. bei einem ausgeprägten Schock der Fall sein, bei Schwerverletzten, bei einer Reanimation mit Kreislaufversagen oder sehr kleinen Kindern. Hier besteht die Möglichkeit, Medikamente über einen intraossären-Zugang (i.o.) zu verabreichen, also in den Knochen.

Es handelt sich hierbei um eine sehr invasive Maßnahme. Kurz gesagt wird bei dieser Applikationsform ein Zugang zur Knochenmarkhöhle gebohrt, z. B. in den Schienbein- oder Oberarmknochen. Die sich darin befindenden, abführenden Venengeflechte bieten einen sicheren Zugang zum venösen Gefäßsystem.

Inhalative Applikationsform (p. i. / über die Atemwege)

Spezielle Sauerstoffmasken mit Verneblungseinheit ermöglichen eine Verneblung von Medikamenten zur inhalativen Medikamentengabe. Durch den Sauerstofffluss entsteht ein Medikamentennebel, welcher direkt eingeatmet werden kann. Vorteile sind, dass die Medikamente schnell zum gewünschten Wirkungsort gelangen. Beispiel hierfür sind bronchoobstruktive Zustände, also akute Erkrankungen mit Verengung der Atemwege (akuter Asthmaanfall, exazerbierte COPD), aber auch Anaphylaxien mit Verengung der oberen Atemwege.

Entsprechend dieser Notfallbilder können verschiedene Medikamente vernebelt werden. Zu nennen sind dafür die gängigen Medikamente Salbutamol, Ipratropiumbromid (Atrovent®) oder Epinephrin (Adrenalin) zum Vernebeln.

Medikamentengabe

Intranasale Applikationsform (i. n. / über die Nase)

In der Nasenhöhle befindet sich die dünne und gut durchblutete Nasenschleimhaut. Über diese können verabreichte Medikamente schnell resorbiert werden (schneller Wirkungseintritt). Für die nasale Applikation werden sogenannte MAD’s verwendet, welche das Medikament zerstäuben. So entsteht bei der Verabreichung ein feiner Sprühstaub wie bei einem Nasenspray, welcher sich auf der Nasenschleimhaut verteilt.

Bei dieser Applikationsform handelt es sich immer noch um eine sogenannte „Off Label Use“-Anwendung. Das heißt, dass diese Form noch nicht offiziell zugelassen ist. Die Entscheidung über diese Anwendung obliegt in jedem Rettungsdienst der ärztlichen Leitung.

Hauptsächlich verwendet wird diese Applikationsform, wenn eine intravenöse Gabe nur schwer möglich ist. Beispielsweise bei krampfenden Patienten zur Krampfunterbrechung oder Kindern. Im Rettungsdienst sind vor allem zwei Medikamente zur intranasalen Gabe vorgesehen: Midazolam und Esketamin.

Sublinguale Applikationsform (s. l. / unter der Zunge)

Die sublinguale Applikation ermöglicht die Verabreichung von Medikamenten über den Zungengrund, also über die Schleimhäute unterhalb der Zunge. Vorteile sind der schnelle Wirkungseintritt und die geringe Invasivität. Im Rettungsdienst wird heutzutage meist nur noch Nitrogylcerin (Nitrolingual®) sublingual verabreicht. Nitroglycerin kann bei pectangiösen Zuständen unter strenger Indikation verabreicht werden. Oft haben die Patientinnen oder Patienten dies auch als rotes „Notfallspray“ auf dem Nachttisch stehen.

Intramuskuläre Applikationsform (i. m. / über den Muskel)

Die intramuskuläre Gabe wird eher selten im Rettungsdienst angewandt. Hierbei wird das Medikament direkt in einen großen Muskel verabreicht. Beispiele für mögliche Anwendungen ist die Applikation von Epinephrin (Adrenalin) bei einer Anaphylaxie bzw. allergischen Reaktion.

Alle verschiedenen Applikationsformen haben ihre eigenen Vor- und Nachteile und sind je nach gegebener Situation anzuwenden. Insgesamt ergänzen sich die unterschiedlichen Möglichkeiten sehr gut und sichern dem Rettungsfachpersonal eine sichere Medikamentengabe in jeder Notfallsituation.

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