Über ein gesamtes Wochenende haben unsere Einsatzkräfte in verschiedenen Situationen den Ernstfall im Katastrophenschutz auf einer Einsatzübung geübt.
Freitag, 14.04.2023
Einsatz des Vorkommandos
Das Vorkommando bestand aus dem Gerätewagen Sanität (GW-San), welcher den Geräteanhänger Sanität (GA-San) zog und dem Mannschaftstransportwagen (MTW), welcher wiederum den Geräteanhänger Logistik (GA-Log) hinter sich hatte. Der GW-San war besetzt mit unseren Einsatzkräften Thilo, Nora und Marvin, wobei der MTW von Kai, Rico und dem Gruppenführer Sanität Marwien besetzt war. Marwien sorgte auch nach dem Beladen der Fahrzeuge und Anhänger dafür, dass wir fachgerecht bei der Leitstelle Stade abgemeldet und bei der Leitstelle in Rotenburg Wümme angemeldet wurden.
Unser Ziel war der Standortübungsplatz der Fallschirmjägerkaserne in Seedorf, wo das Vorkommando die Aufgabe hatte, die Rahmenbedingungen für die Übung in Form von z.B. Aufbau von Zelten und Feldbetten vorzubereiten.
Wir bauten zwei Stangenzelte und knapp zwei Dutzend Feldbetten auf. Zudem richteten wir das Materiallager ein und erledigten Kleinigkeiten, die essenziell waren, um die eigentliche Übung so zu ermöglichen. Danach konnten wir am Abend die Rückfahrt antreten und waren somit bereit für die Übung am Samstag in der Früh.
Samstag, 15.04.2023
Anfahrt und erste Übungen
Am Wochenende, 15. und 16.04.2023 haben wir auf dem Standortsübungsplatz der Bundeswehr in Seedorf den Katastrophenfall geübt. Daran haben insgesamt 19 ehrenamtliche Einsatzkräfte teilgenommen. Vom erfahrenen Notfall- oder Rettungssanitäter bis hin zum frisch geprüften Sanitäter*in waren alle dabei.
Start war nachts um 3:45 Uhr in Stade. Dort wurden alle Einsatzkräfte in Gruppen eingeteilt, die sich dann gegen 5 Uhr mit fünf Fahrzeugen in Richtung Seedorf im Marschverband auf den Weg machten. Dazu gehörten ein KTW (Janin und Maurice), ein MTW mit Anhänger (Lasse, Svenja, Christin, Stella, Mika, Daniel und Anton), der GW-SAN mit Anhänger (Thilo, Mario, Rico, Finja, Mattis und Kai) sowie der RTW 41-85-16 (Nicolai und Jens) und der RTW 41-85-26 (Stephan und Anja).
Um 6:30 Uhr angekommen wurde das Team vom Übungsleiter Volker in Empfang genommen. Kurz darauf stand bereits das erste Katastrophenszenario auf dem Plan – eine Sichtungssübung.
Eine Windhose ist über einen Freizeitpark gefegt, mehrere Personen lagen in Form von Dummys verstreut im Gelände herum. Eingeteilt nach Qualifikationen mussten alle einzeln innerhalb einer vorgegebenen Zeit alle Personen finden und sichten, um dann am Ende einen qualifizierten Notruf absetzen zu können, bzw. eine Lagemeldung abzugeben.
Danach gab’s dann Frühstück – zubereitet von der Betreuungsgruppe des DRK Ahlerstedt. Entsprechend gestärkt wurden die Ergebnisse der Erkundung in den einzelnen Gruppen zusammengetragen, ausgewertet und besprochen.
Anschließend ging es zum nächsten Teil der Übung: Zur „Lage Panzer“. Mehrere verletzte Personen, in diesem Fall Mimen der Realistischen Unfalldarstellung, lagen auf einer Wiese verstreut. Diese mussten vom Team gesichtet, erstversorgt und in einer nahegelegenen Hütte (Sammelstelle) untergebracht werden.
Nach dieser Übung mussten die Leitungs- und Führungskräfte ein Zelt nach MTF-Konzept aufbauen, bevor es dann für alle Mittagessen gab.
Der explosive Nachmittag
Nach dem leckeren Mittagessen, welches uns die DRK-Bereitschaft Ahlerstedt zubereitet hat, ging es mit einem Vortrag der Polizei weiter. Zwei Beamte der BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) Oldenburg stellten uns ihre Aufgaben und Ausrüstung vor. Schwerpunkt lag hierbei auf der Verletztenversorgung. Es wurden verschiedene Taschen für mögliche Situationen gezeigt.
Nach dem Vortrag sammelten wir uns zum nächsten Übungsszenario. Die Fahrzeuge wurden besetzt und zum Übungsplatz verlegt. Vor Ort wurden die Fahrzeuge sinnvoll aufgestellt, dass z.B. die Rettungswagen jederzeit einen Patienten transportieren konnten und der GW-San günstig zur Patientenablage steht, um zeitnah an nötiges Material zu kommen.
Am Übungsobjekt angekommen gab es eine Lageeinweisung durch die Übungsleitung und die Gruppenführerin sowie der Leiter der Patientenablage wurden bestimmt.
Nach der Eröffnung mittels imposanter Pyrotechnik begann ich mit meinem Teampartner die Sichtung der Patienten. Das heißt, dass innerhalb kürzester Zeit die Patienten nach einer Farbskala (grün-leichtverletzt, gelb-mittelschwer verletzt, rot-schwerverletzt mit Lebensgefahr und schwarz – tot) eingeschätzt werden und dadurch die Behandlungspriorität festgelegt wird.
Zeitgleich wurden die nötigsten lebenserhaltenen Maßnahmen wie die stabile Seitenlage oder die Anlage eines Tourniquets zur Blutstillung von lebensbedrohlichen Blutungen an Extremitäten durchgeführt. Ein ungefährer Zeitansatz ist dabei ca. 30 Sekunden je Patient.
Nach Sichtung der 17 Patienten machten wir eine Übergabe an die Gruppenführung, die nun weitere Maßnahmen veranlasste. So wurden erst die Schwerverletzten aus dem Gefahrenbereich zur Patientenablage gebracht.
Die Patienten wurden von der realistischen Unfalldarstellung sehr real geschminkt, sodass man zwischendurch vergaß, dass dies eine Übung ist.
Nach der Versorgung aller Patienten in der Patientenablage gab es eine Pause, in der das Szenario kurz nachbesprochen wurde. Anschließend wurde das aufblasbare Zelt des GW-San, welches schon am Vormittag durch die Leitungs- und Führungskräfte aufgebaut wurde, nach dem Konzept der Medizinischen Task Force eingerichtet.
Nach dieser Einheit haben wir von Tino, einem Sprengstoffexperten, kleine Erläuterungen zu den verschiedenen Arten von Sprengstoff erhalten und wie diese verbaut werden können. Ziel dabei war es, uns Einsatzkräfte auf mögliche Gefahren zu sensibilisieren.
Nun startete der 2. Übungsabschnitt des Szenarios. Die Patienten wurden von der Patientenablage zum Behandlungsplatz in das Zelt transportiert, wo anschließend eine ausführlichere Behandlung stattfand. Dort wurde der Zustand der Patienten mittels cABCDE-Schema erhoben, Wunden versorgt, intravenöse Zugänge gelegt und die Patienten für einen Transport ins Krankenhaus stabilisiert.
Nachdem alle Patienten versorgt waren, gab es ein Feedback der Übungsleitung und Beobachtern. Zu guter Letzt wurde das Material zusammengepackt und in den GW-San verladen. Das Zelt incl. der unabhängigen Stromversorgung mittels Generators und der Zeltheizung abgebaut.
Gemeinschaftlicher Abend
Nachdem das Material aufgeräumt und verladen und die Fahrzeuge für die Nacht geparkt wurden, folgte der gemütliche Teil des Tages. Nach dem Abendessen zündeten wir unsere Feuerschale an und setzten uns zusammen mit den Kameradinnen und Kameraden der Technik aus Bützfleth und den Verpflegern aus Ahlerstedt drumherum.
Traditionell folgte das „Blaulichttrinken“, also das Trinken aus einem abmontierten Blaulicht. Dazu gab es Snacks und Marshmallows und gemütliche Musik. Bis in die Nacht saßen wir so zusammen, bis es zum Schlafen in die Zelte ging.
Sonntag, 16.05.2023
10 km-Marsch und Klettern
Der Sonntagmorgen startete für uns mit einem gemeinsamen Frühstück um 8 Uhr, was von der Verpflegungsgruppe der Bereitschaft Ahlerstedt vorbereitet wurde.
Um 8:45 Uhr gab es dann ein Treffen aller Stader Einsatzkräfte, bei dem der nächste Teil der Übung von der Übungsleitung erklärt wurde. Dabei handelte es sich um einen Orientierungsmarsch, der in vier Gruppen á 4–5 Personen absolviert wurde. Da die Gruppen zeitversetzt starten sollten, gab es vor dem jeweiligen Beginn noch weitere Stationen. Unter anderem wurde bereits mit dem Abbauen der Unterkunftszelte begonnen. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, die an einem Übungshaus angebrachte Kletterwand zu nutzen und durften uns aus dem 2. Obergeschoss abseilen. Dies war für viele Einsatzkräfte ein kleines Highlight der Übung.
Anschließend haben wir in unseren Gruppen den ca. 9 km langen Orientierungsmarsch gestartet. Dabei mussten bestimmte Punkte erreicht werden, an denen der Hinweis für den folgenden Durchlaufpunkt gesucht werden musste. Ziel dieser Übung war es, mithilfe von Karten, Kompass und Wegbeschreibungen sowie markanten Punkten in der Landschaft sich in einem fremden Gelände orientieren zu können.
Nach dem Erreichen des Zielpunktes wurde der Rückbau der Zelte beendet, bis nach und nach alle Gruppen das Ziel erreicht hatten. Anschließend wurde wieder gemeinsam zu Mittag gegessen.
Zusammenpacken und Abfahrt
Nach dem Mittagessen hatten wir den Auftrag, die Zelte in den 4-Tragen-KTW zu verladen. Janin und ich haben angefangen die kleinen Zeltplanen einzuladen. Vom Vortag und dem 10 km Marsch erschöpft, war das gar nicht so leicht. Da kommt schon mal die Frage auf „Warum macht man das nochmal in seiner Freizeit?“. Kurz darauf kam die Antwort: Die Kameradschaft!
Anja, Rico und Daniel halfen uns und kurz darauf weitere Kameraden bei der großen Zeltplane und den Zeltstangen. Schnell war der KTW voll und die anderen Fahrzeuge ebenfalls. Nach einer kurzen Besprechung bezüglich Sprechgruppe, Marschreihenfolge sowie Fahrerwechsel.
Auf dem Rückweg war ich froh, dass ich nicht gefahren bin, weil ich echt fertig war und auf der Hälfte der Strecke fast eingeschlafen bin. Endlich am Hofacker angekommen war jedoch nicht Feierabend, sondern die Nachbereitung angesagt. Das Wochenende war hart, aber sehr schön. Die Erfahrungen und die gewonnen Fähigkeiten bleiben noch lange, die Müdigkeit und der Muskelkater sind schnell vergessen!
Nachbereitung der Einsatzübung
Materielle Nachbereitung (von Svenja Ruppert)
Zu einer Übung gehört nicht nur die Vorbereitung und die Durchführung, sondern auch die Nachbereitung des Materials und eine Auswertung, was ebenfalls viel Zeit in Anspruch nimmt.
Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz – das gilt genauso nach Übungen. Damit die Fahrzeuge nach der Übung schnell wieder für reale Einsätze einsatzbereit sind, haben sich alle teilnehmenden Einsatzkräfte nach Rückkehr in die Unterkunft die Zeit genommen und das gesamte Material wieder gereinigt und an seinen ursprünglichen Platz geräumt. Verbrauchtes Material wurde aufgefüllt und die Fahrzeuge von innen und außen gereinigt. Die teilweise nassen und schmutzigen Zelte wurden in unserer Halle aufgebaut, gereinigt, über Nacht zum Trocknen stehen gelassen und am nächsten Tag wieder abgebaut. Außerdem wurden die während der Übung aufgetretenen Schäden dokumentiert und soweit möglich sofort repariert.
Auch an dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an alle, die trotz Müdigkeit und Muskelkater vom Übungswochenende bei der Nachbereitung mit angepackt haben!
Feedbackrunde, Online-Umfrage und Analyse der Übung
Eine so umfangreiche Übung ist nicht selbstverständlich und benötigt neben dem immensen Zeitaufwand zur Planung, den vielen Akteuren und dem Übungsmaterial auch eine ausreichende Finanzierung. Damit sich dieser gesamte Aufwand lohnt und wir etwas aus der Übung mitnehmen und lernen, brauchen wir am Ende ein Ergebnis.
Es geht uns in der Aufarbeitung nicht nur um Fehler, denn wir wissen auch, dass viel Spaß an der Sache und ein guter Teamgeist enorm wichtig für den Erfolg sind. Schon deshalb sind unsere Einsatzkräfte meist sehr enthusiastisch auf Übungen dabei. Deswegen ist Anerkennung für das Geleistete und das, was richtig gemacht wurde, ein viel stärkerer Antrieb zur Bestleistung als herbe Kritik an Fehlern und Mängeln.
Nach der Übung und der Nachbereitung des Materials haben wir am späten Sonntagnachmittag in gemütlicher Runde von allen beteiligten Einsatzkräften ein Feedback gesammelt. Die Eindrücke und Erinnerungen sind zu dieser Zeit noch sehr frisch, daher bietet es sich, wie auch bei realen Einsätzen, an, über das erlebte zu sprechen.
So gab es auch dieses Mal einige Umstände, die hätten besser laufen können, doch neben den auch vielen positiven Anmerkungen waren diese meist von geringerer Bedeutung. Alles in allem fiel das Feedback sehr positiv aus und wir sind uns schon heute sicher, dass dies nicht die letzte Übung dieser Art war.
Auf diese Art sammeln wir zeitnahe, objektive Eindrücke und erste Anhaltspunkte für zukünftige Verbesserungen. Diese erfolgen später nach Prüfung in Form von Ausbildung, Praxistraining oder Umstellungen bei Material und Arbeitsabläufen.
In den folgenden Tagen haben unsere Einsatzkräfte dann noch die Möglichkeit, über eine Online-Umfrage ein detaillierteres Feedback zu allen Übungsabschnitten zu geben, denn nicht nur die Übungsteilnehmenden, sondern auch alle beteiligten Akteure sind stets bemüht, Einsatzübungen möglichst realistisch entsprechend der aktuellen Anforderungen umzusetzen.
Abschließend werden alle Rückmeldungen und Erkenntnisse von den Leitungs- und Führungskräften zusammen mit der Übungsleitung nochmals zusammengefasst. So wird überprüft, ob das vereinbarte Übungsziel erreicht worden ist oder nicht. Das Abschlussergebnis wird dann an die Kreisbereitschaftsleitung rückgemeldet.
Der Dank des nachbereitenden Teams und aller Leitungs- und Führungskräfte gilt in dieser Hinsicht all denen, die auch nach der Rückkehr von der Übung für die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft sowie der Analyse des Übungsergebnisses gesorgt haben. Danke!